HEINZ FUCHS
Aus: Erich Hauser, Katalog Kunsthalle Mannheim, Mannheim, 1966Je mehr sich die eigene künstlerische Form für Hauser klärt, um so sicherer wird er sich seines Werkstoffs. Seit 1960 sind Stahlplatten sein Material. Einst hatte er das Handwerk des Stahlgraveurs erlernt; von da rührt schon die schicksalhafte handwerkliche Verbundenheit mit Stahl; seit dem »macht er sich etwas daraus«. Der Widerstand dieses Werkstoffs ist es, der heute den Plastiker Hauser zu intensiver, künstlerischer Tätigkeit provoziert, zu physischen Anspannungen, die den Künstler dann und wann zu Atempausen nötigen, wenn er nicht unterliegen will. In solchen Zeiten organisiert er die Werkstatt und richtet sich neu ein zum Angriff. Immer potentere Mittel setzt er ein; auch Maschinen. Die Maschine, die er beherrscht, macht ihn frei und gibt ihm die Spontaneität zurück, die am Widerstand des Materials zu erlahmen droht. Hauser bedient sich vorurteilslos aller technischen Fortschritte und hält wohl nichts von sentimentalem Festhalten an überkommenen Methoden, worin manche manchmal schon geradezu einen Wert an sich erblicken möchten. Insofern ist Hauser wirklich ein überaus unternehmerischer moderner Plastiker. Die stählernen Karosserien der Automobile zum Beispiel, oder die Maschinenteile aus Stahl zeugen freilich heute von einer virtuosen Formbeherrschung; aber die Sprache des Künstlers hat noch eine andere Dimension.
Die Werke Hausers, die mächtig massiv wie gespannt und wenig erscheinen, lassen ihren Ursprung ebensowenig in rationaler Mechanisierung und trockenem Kalkül wie in planloser, spontaner Expression oder im Kult des Zufalls vermuten. Gelegentlich sind Werke Hausers die senkrecht aufragenden den gewaltigen Steinen jener frühgeschichtlichen Megalithkulturen verglichen worden. Der Vergleich liegt vor allem nahe, wenn solche plastischen Werke wie Menhire im freien Raum einer weiten Landschaft aufgerichtet sind, was ihrem Wesen besonders entgegenkommt. Aber man sollte nicht verkennen, dass es bei jenen großen Monolithen immer fragwürdig erscheint, ob es sich um Menschenwerk oder erratische Blöcke handelt, erweist ein Stahl Hausers immer deutlich, dass eine geistreiche Hand am Werk war. Das unterscheidet Hausers Plastik im Wesen auch von der Hans Arps, der ja sein Werk gleichsam als Stück Natur erscheinen lassen möchte, welches erst bei näherem Zusehen sich als Gebilde von Menschenhand verrät. Hauser beabsichtigt dagegen wohl mit seinem Stahl, so er der Natur ausgesetzt wird, der integrierenden Tendenz dieser Natur zu widerstehen; unveränderlich und unangreifbar soll seine Plastik sein für die Wirkungen der Zeit und der Verwitterung und für den Fraß der Oxyde. Die formalen Ordnungen der Figuren Hausers, welche letztlich auch den Raum um sie bestimmen und stimmen, gebärden sich wie von inneren Wachstumskräften der Natur getriebene kristallinische Bildungen.
Noch 1962 sind zunächst Formen vorherrschend, die mehr architektonisch gefügt sind. Danach gibt es wie beieinander sich durchdrin- genden Kristallen Flächenfügungen, Kanten und Winkel; die Regel der Gradkantigkeit führt zum Polygon und erreicht nur Annäherungswerte an die Rundform. Dort, wo die Flächen sich berühren, werden diese Tangenten intensiv verschweißt. Diese erscheinen manchmal wie ein struktives Gerüst, in welches die Stahlflächen sich einspannen. Verschiedene Spannungen der Flächen ist überhaupt eines der wesentlichen Mittel, dessen sich Hauser bei der plastischen Gestaltung seiner stählernen Figuren bedient. Auch das fertige Werk bewahrt noch etwas von der Art seiner Entstehung und bietet sich dar als Gefüge von Flächen.
Wo man über den voluminösen Formen einmal die Flächenhaftigkeit vergessen und sich die Vorstellung von massiven Blöcken einstellen könnte, da macht sogleich ein Spalt oder die vorkragende Schnittkante des Stahlblechs die Dimension der Fläche deutlich, die so nicht zur Oberfläche eines Körpers wird; sie hat auch ihre Unterfläche oder Gegenfläche, und wenn die eine das Licht fängt, so ist die andere die dunkle Seite, Gewände eine Höhlung, zu der die Schlitze und Spalten hinführen. Dem Wechsel konkavkonvex entspricht auch ein hell dunkel Zusammenhang. Der Begriff der Flächenhaftigkeit scheint nur schwer zu verbinden mit der Vorstellung von Plastizität. Aber wir haben es nicht mit traditioneller Körper und »Kernplastik« zu tun, sondern es handelt sich hier um das, was man seit einiger Zeit als »Raumplastik« zu bezeichnen pflegt. Wie eine in der Fläche bewegte Linie beiderseits eine positive und eine negative Flächenform bildet, so lässt eine Fläche im Raum gewissermaßen eine positive und eine negative Raumform entstehen. Diese Raumformen sind für die Plastik Hausers wohl bedeutungsvoller als etwa der Umriss. Bei älteren Stahlfiguren Hausers hatte sich das Wort »Verschachtelung« eingestellt, um die Formationen zu beschreiben. Auch die Dünnwandigkeit wurde gleichzeitig damit begriffen; später ist es eher Verkapselung und wenn nicht heute gänzlich andere Vorstellungen das Wort voreingenommen hätten, könnte man von Raumkapseln sprechen.
Hauser arbeitet vornehmlich nicht eigentlich mit der Masse, auch nicht mit Volumen, das lapidare Vorstellungen hervorruft, sondern mit der Wider und Gegenständlichkeit der Stahlplatten, die er sich vornimmt. Soll man an das ausgestorbene Handwerk des Plattners denken, der die Panzerungen, die Harnische verfertigte; wie jeder Vergleich träfe auch dieser nur eine Seite. Aber vielleicht ist es dienlich, einmal einen Harnisch unter dem Aspekt einer modernen Plastik zu sehen wie umgekehrt eine moderne Plastik unter dem Aspekt eines Harnischs. Statische Probleme treten in den Hintergrund, alles wird gleichsam in Gelenken suspendiert in einem vorläufigen Gleichgewicht. Man erwägt Bewegung: Abkippen, Einknicken, Gleiten, Verschiebung.
Um Thema und Gegenstand der Plastik Hausers deutlich zu machen, bei welcher es sich weder um Abstraktion noch um Metamorphose und Umdeutung eines Sujets oder ein Gleichnis handelt, sondern um eine enthusiastische Produktion einer Form, tut man gut, sich den Prozess des »Machens« vorzustellen. Die Tätigkeiten, die der Plastiker hier entfalten muß, gehören grundverschiedenen Erlebnissphären an, entsprechend der wechselnden Arbeitsleistung: Erste Konzeption der Form schwierige Zusammenhänge werden bisweilen durch Zeichnung fixiert. Zurechtschneiden der Stücke aus den blanken, unversehrten Stahlplatten, Einsatz von Brenner und Lichtbogen, Flamme und Hitze, Biegen und Verschweißen und schließlich Schleifen und Schmirgeln. Das alles setzt planvolles Vorgehen voraus. Schon die Werkstatt, geräumig und aufgeräumt, kennt nicht das »malerische« durcheinander, in welchem der Zufall lauert. Zuerst war die Plastik die Ausnahme; jetzt ist sie hier alltägliche Arbeit und man hat sich »darauf eingerichtet«. Das ist keineswegs gleichbedeutend mit Rationalisierung im Künstlerischen. Wer weiß, welcher Zusammentreffen Ausgeburt das Kunstwerk ist. Hier reizt der Stahl den Künstler zu Gegenreaktionen, zum Schneiden, Schweißen, Verglühen, um ihn zu bewältigen, dort identifiziert er sich mit ihm beim Radieren, wenn Hauser, den Stahl in der Faust, die Kupferplatten aufschlitzt und Risse hineingräbt.
Im Schaffensjahr 1963 herrscht in der Plastik Hausers oft auffällige Symmetrie vor; symmetrisch gefügte, wappenartige oder stellare Kompositionen begegnen bei den Reliefs, und die frei aufgestellten Figuren weisen zumindest in einer Ansicht symmetrische Bildung auf. Die symmetrische Ordnung birgt die Gefahr, dekorative, kunstfertige Form zu werden. Dabei scheint der Stahl völlig überwältigt, sein Widerstand ganz gebrochen; er kann seinen Charakter kaum noch bewahren; systematische Strukturen setzen die Flächen gegeneinander ab und die Entmaterialisierung durch Farben ist in dieser Phase sicher nicht weit entfernt. Aber Hauser spürt diese Gefahr. Die Unterwürfigkeit des Werkstoffs ist für den Plastiker reizlos und er lockert den Zugriff und lässt dem Eigenwillen des Stahls wieder mehr Spielraum. Dennoch hat diese geometrische Periode und haben ebenso die Rundreliefs, bei welchen die Formen schuppenartig übereinandergreifen wie bei Knospen oder Koniferenzapfen, die Ausdrucksweise noch bereichert.
Diese Ausstellung beschränkt sich ausschließlich auf Werke, die in dem vergangenen Jahr entstanden sind, in welchem Hauser von einer enormen Schaffenskraft beflügelt ein riesiges Arbeitspensum absolvierte. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer Ausstellung Werke in einem Raum zusammentreffen, von denen eigentlich jedes für sich stehen müßte. Die Konstellation, in welcher Hausers Figuren ihre höchste Wirkung entfalten, läßt sich hier nicht einrichten: Seltsam selbstverständlich stehen sie im Umkreis der Werkstatt Hausers im Freien, in einer Landschaft, die mit weitem Horizont sich als wellige Hochfläche dehnt. |